„Rückkehr der Kunst zum Leben bitternötig“
7. Deutscher Amateurtheaterpreis an vier Orten vergeben // 12.000 Euro für 6 Ensembles
„Die Rückkehr der Kunst zum Leben hatten wir alle nach Corona bitternötig“, das erklärte Kulturstaatsministerin Claudia Roth in ihrer Grußbotschaft zur Gala und Preisverleihung des Deutschen Amateurtheaterpreises amarena. Die Kraft, die durch die Rückkehr der Kunst ins Leben entstanden ist, spiegle sich auch in den Stücken wider und der Preis unterstreiche die künstlerische und zivilgesellschaftliche Bedeutung der Amateurtheaterszene in unserem Land“, führte die Schirmherrin aus. Das Festival wurde vom 22.-24. September zeitgleich an vier Orten ausgerichtet: in Essen, Gotha, Pforzheim und Quedlinburg. Die Gala mit Preisverleihung fand am Samstag, 24. September, in Pforzheim statt. Während der Veranstaltung wurde digital zu allen gastgebenden Bühnen und den Preisträger*innen geschaltet.
Der Präsident des Bund Deutscher Amateurtheater (BDAT) Simon Isser verwies im Rahmen der Gala auf die vielen Herausforderungen, die spaltend in unsere Gesellschaft hineinwirken und betonte das Verbindende und die Stärken des künstlerischen Dialogs im Amateurtheater. Im Kontext der aktuellen Weltlage verwies er zudem auf die internationalen Verbindungen des BDAT und betonte, dass der Verband fest an der Seite seiner Freund*innen stehe.
Fünf Preise und ein Sonderpreis, verbunden mit einem Preisgeld von je 2.000 Euro wurden vor großem Publikum mit Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur vergeben. Petra Olschowski, Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg, überbrachte ihre Glückwünsche im Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim. Sie stellte heraus, dass gerade das Amateurtheater nahe am Menschen sei. Zudem ermutigte die Staatssekretärin dazu, für eine nachhaltige Entwicklung im Ehrenamt junge Menschen ernst zu nehmen und sie stärker in Kultur und Politik zu integrieren. Die Staatssekretärin überreichte den amarena Award und die Urkunde gemeinsam mit der Juryvorsitzenden Dr. Birte Werner an den Amateurtheaterverein Pforzheim, der im Kulturhaus Osterfeld beheimatet ist. Der Verein erhielt den Preis in der Kategorie „#wirwerdenwieder – Wirken eines Amateurtheaters in Zeiten der Pandemie“. Mit vielen Aktionen, analog und digital, regional und international, blieben die Mitglieder in der Zeit der Pandemie in Verbindung, entwickelten neue Formen des künstlerischen Dialogs und förderten den Zusammenhalt.
Krisen überstehen, den Alltag gestalten, Nähe und Intimität zulassen. Darum geht es in der ausgezeichneten Inszenierung „Parallele Welten – Mixed Couples“, das mit Frauen und Männern vieler Nationalitäten unter dem Dach der Bühnen und Orchester der Stadt Bielefeld inszeniert wurde. Schreibend, tanzend und spielend erzählt das Ensemble über sogenannte „Mixed Couples“ und gibt Einblick in migrantische und postmigrantische Perspektiven und Herausforderungen.
Für ihre atmosphärisch dichte Szenencollage, präsentiert bei der Studio-Bühne Essen, erhielt die Gruppe den Preis in der Kategorie „Darstellende Künste“.
Wie ein innovatives Zoom-Theaterstück mit klassischem Theaterstoff funktionieren kann, das zeigte die Theatergruppe Süd-München mit ihrer Inszenierung „Faust I – Walpurgisnacht Teil 1 & 2“. Mit selbst entwickelten Techniken, beeindruckenden Masken und viel Spielfreude produzierte sie eine lebendige Inszenierung und verwandelte das Homeoffice zum genussvollen Kulturort. Für das Festival präsentierte die Gruppe das Stück erstmals live. Gespielt wurde in den Nebenräumen des Kulturhauses und von dort wurden die Szenen als Zoom-Performance in den Theatersaal übertragen. Die Gruppe erhielt den Preis in der Kategorie „Darstellende Künste in Zeiten der Pandemie.“
Mit einem Video-Grußwort würdigte Bundesseniorenministerin Lisa Paus die Preisträger*innen in der Kategorie „Darstellende Künste mit Senior*innen“. Sie betonte: „Senior*innen machen echt gutes Theater!“. Geehrt wurden die Darstellerinnen im fundament / art der stadt e. V. in Gotha für die bewegende Inszenierung „Bevor wir gehen“. „Senior*innen spielen ihr Potential aus, ihre Lebenserfahrung und sie beeindrucken junge Generationen“, betonte die Ministerin. 20 Frauen aus drei Generationen erarbeiteten die Eigenproduktion. Der biographisch geprägte Plot, einfühlsam mit Licht und Bildtechnik in Szene gesetzt, nimmt Bezug auf das Leben von damals und heute, auf Kriegserinnerungen, alte Rollenbilder und Emanzipation.
Exemplarisch für starkes und am Puls der Zeit inszeniertes Theater steht JuBO – Jugendbühne – Junge Bühne Ostfildern. Ihr Solostück ElefantenPOLO von Peter Klusen rückt das Thema häuslicher Gewalt ins Zentrum. Drei Jugendliche übernahmen zu unterschiedlichen Spielzeiten diesen Solopart. Die eindrucksvolle darstellerische Leistung, die feinfühlige Regie und auch das herausfordernde Thema, das gerade in Zeiten der Pandemie mehr Beachtung verdiene, hatten die Jury besonders beeindruckt. JuBO ist ein von Jugendlichen eigenverantwortlich geführter Verein. Gastgeber der Gruppe war die Bühne7 in Quedlinburg.
Mit dem Sonderpreis des Theaterleben e. V. wurde die Junge Theaterakademie Offenburg in der Kategorie „#connect- Amateurtheater verbindet“ geehrt. Eine 10-jährige Schülerin und eine 82-jährige Rentnerin führen in dieser Produktion als Sprecherinnen durch die multimediale Audiotour „Kilometer X“. An sechs ungewöhnliche Orte führt die interaktive Tour, dabei geben 28 Menschen Einblick in ihr Leben. Die Zuschauer*innen werden interaktiv in die Produktion eingebunden. Die Inszenierung zeige, wie vielfältig die Verbindungen sind, die Amateurtheater bewirken kann: zwischen Generationen, zwischen Theaterformen, zwischen Orten, zwischen Unbekannten, stellte die Laudatorin Dr. Sandra Wirth heraus.
Die Gala, präsentiert von Martin Bretschneider, war nicht nur eine Preisverleihung, sie gab auch Raum für Statements und Dialog. Zur Bedeutung von Amateurtheater im Kontext von Kultureller Bildung betonte die Juryvorsitzende Dr. Birte Werner, dass Teilhabe mehr sei als Teilnahme. Mitwirken, Mitgestalten, das sei wichtig. Sie verwies damit auch auf das große Potential des Amateurtheaters, das beim diesjährigen Wettbewerb sichtbar geworden sei.
„Der diesjährige Deutsche Amateurtheaterpreis amarena war besonders geprägt von der Coronazeit, von digitalen und hybriden Einflüssen, die neue Theaterformate und Themen hervorbrachten. Mehr als je zuvor haben sich bei diesem Wettbewerb Menschen aus unterschiedlichsten Kulturen beteiligt, was die Vielfalt und das Inspirierende des Amateurtheaters eindrucksvoll verstärke“, sagte der künstlerische Festivalleiter Frank Grünert zum Abschluss.
Beim diesjährigen Festival stand auch das Thema „Demokratie und Dialog“ zur Debatte. Im Gespräch mit Menschen der Lebenshilfe Lüneburg-Harburg wurde über Formen und Möglichkeiten der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Amateurtheater diskutiert. Eine Präsentation von partizipativen Projekten im Rahmen der amarena Innovationsförderung gab weitere Einblicke in das Thema.
Die Mitglieder der Preisjury amarena 2022: Dr. Birte Werner (Juryvorsitz/Leiterin des Zentrums für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg), Frank Grünert (Künstlerischer Leiter amarena/BDAT-Vizepräsident), Julian Baufeldt (Kuratoriumsmitglied amarena, BAG Spiel und Theater), Isa Kathrin Edelhoff (Referentin für Theater und Tanz, BKM), Dominik Eichhorn (Bildungsreferent BDAT), Stefanie Gutekunst (FB Theaterpädagogik, Kulturhaus Osterfeld), Dr. Marcus O. Klein (Kuratoriumsmitglied amarena), Billie-Marie Wempe (Kulturmanagerin Sommerblutfestival Multipolarkultur).
Weitere Informationen: www.bdat.info